Unwirkliche Schönheit

Ein Reisebericht von
Konstantin Lüttiz
über die Reise
Norwegen – im Reich der Mitternachtssonne
vom
15
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06
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bis
24
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06
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2017

Wir sitzen gerade gemütlich beim Abendessen, als uns Christian zum Wetterbriefing ruft: „Wind sieht gut aus; wir werden auf jeden Fall fliegen können; Abfahrt halb elf.“

Erst mal nichts ungewöhnliches an diesen Aussagen, allerdings sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass mit halb elf, 22:30 Uhr gemeint war. Das Ziel: Mitternachtsflug!

Uns ist allen klar, dass wir hier die Chance auf etwas unglaubliches haben, mitten in der Nacht fliegen, nur möglich, weil die Sonne fast nicht untergeht zu dieser Jahreszeit, so weit im Norden.

23:45 Uhr - Aufbau der Drachen im Lee des Startplatzes

Nachdem wir uns alle ausgeruht haben, fahren wir pünktlich zum Startplatz. Der Wind bläst mit fast 30 Km/h und kommt leider zu westlich. Macht nix, unser Norwegischer Freund Eric kennt noch einen geheimen Startplatz der gut im Wind steht. Die Drachenflieger tragen Ihre Geräte und bauen im Lee auf, während die Gleitschirmflieger skeptisch den Wind beobachten. 

Und dann tun wir das, was Piloten am besten können, wir warten. Gegen 1:00 Uhr wird der Wind schwächer. Christian bereitet uns darauf vor dass es bald startbar ist. Die Stimmung ist unglaublich, am Fuße des Berges leuchten die Straßenlampen, hier am Berg ist es wir kurz vorm Sonnenaufgang. 

01:40 Uhr- Letzte Informationen von Christian an die Piloten

Es ist unglaublich ruhig und einsam. Genuss pur. Oft sind wir Piloten so sehr mit Thermik, Planung, Angst vorm Absaufen, etc. beschäftigt, dass wir gar nicht mehr zum genießen kommen. Genießen der Landschaft, Luft, Natur und die Freude wie ein Vogel zu fliegen. Heute ist das anders, bei diesem Flug steht all das im Vordergrund. 

Startfreigabe! Sven startet als erstes in dem unwegsamen Gelände gar nicht so einfach, aber Christian findet den perfekten Spot. Nachdem Sven unten sicher gelandet ist, starte auch ich. Es ist atemberaubend. Ich bin vollkommen Alleine in der Luft, sehr Wahrscheinlich der einzige Drachenflieger der in diesem Moment in Europa und Afrika in der Luft ist. Die kleine Stadt unter mir schläft friedlich die Meisten Tiere und Vögel auch. Die Ruhe ist überwältigend schön. Nach 15 Minuten lande ich gegen 2:30 Uhr. Das ist mal ne Uhrzeit, erst recht für ein Landebier. 

Gegen 3:00 Uhr fliegen dann auch die Gleitschirme um 5:00 Uhr fallen wir alle todmüde ins Bett. Todmüde aber überglücklich.

Nach einem Tag pause geht es wieder zusammen an den Berg. Da wir eine Östliche Komponente haben, müssen wir an einen anderen Startplatz ausweichen. Oben anbekommen machen sich die Drachenflieger fast in die Hose. Der Naturstart ist flacher als so mancher Flieger Witz. Die Gleitis sehen das ganz entspannt und packen aus. Christian analysiert die Situation und klärt uns auf, dass es mit etwas mehr Wind unbedenklich für uns ist, wir aber eine super Technik mit vielen Laufschritten brauchen. Als die Sonne besser durchkommt, wird auch der Wind stärker, wir bauen auf. Die ersten 3 Gleitis sind schon in der Luft, als ich mich zum Start begebe. Vor mir leicht abfallendes Gelände, dass nach ca. 500 m wieder ansteigt, spätestens dann muss man den ca. 1 Kilometer langen Flug Richtung Süden einleiten (ebenfalls nur leichtes Gefälle), um schließlich die Kante und das eigentliche Flug Gelände zu erreichen. Würde ich hier alleine stehen, hätte ich nicht mal im Traum daran gedacht zu Starten, aber wenn Christian sagt, dass es geht, wird das hoffentlich so sein. Ich laufe los und laufe, laufe, laufe und oh Schreck bin plötzlich tatsächlich in der Luft. 

Zuerst fliege ich der Kontur nach Osten und drehe dann in ca. 80 m Höhe Richtung Süden. Ach du Sch... denke ich mir als ich die Entfernung zur Kante sehe, jedoch gleite ich sanft dahin. Konstant gefühlt knapp über Grund. Es ist ein Wahnsinns Spektakel und ich gebe einen kleinen Freudenschrei von mir. Unglaublich was sich die Natur da für uns ausgedacht hat. Über einem Wasserfall erreiche ich schließlich die Kante an der die Gleitis schon fleißig am –soaren sind und reihe mich mit ein. Das gemeinsame fliegen klappt hervorragend. Man merkt, dass sich hier Gleitis und Drachenflieger näher gekommen sind und vielleicht auch etwas mehr Verständnis für einander haben. Es sollte öfter gemeinsam geflogen werden, dann würden vielleicht auch weniger, teils sehr dumme Kommentare untereinander ausgetauscht. Gleitschirme sind nur Luftbojen und Drachen ein Relikt aus der Vergangenheit.  Das gemeinsame Fliegen ist natürlich aufgrund der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Wenderadien nicht so einfach, aber wenn man versucht etwas Verständnis für Vor- und Nachteile des jeweils anderen Gerätes zeigt, und dem entsprechend Rücksicht nimmt, steht dem gemeinsamen Fliegen nichts mehr im Weg!

Norwegen ist ein faszinierend schönes Land, in der man die Schönheit der Natur unendlich genießen kann. Die Fluggebiete sind ohne Betreuung schwer einzuschätzen. Ich wäre bei der Hälfte nicht gestartet und war jedes mal froh, dass ich Dank Christian doch in die Luft gekommen bin.  An einem nicht fliegbaren Tag sind wir in einem Nationalpark wandern gegangen. Wir waren knapp 8 Stunden in einem unwirklich schönem Gebiet wandern und haben einen knapp 800 m hohen Berg bestiegen. An einem reißendem Gebirgsbach ging es durch hügeliges Gelände über Stock und Stein. Wir hatten sogar das Glück einem seltenen und nicht ganz ungefährlichen Moschusochsen zu begegnen. Während der kompletten Wanderung sind wir nicht einer Menschenseele begegnet, das nenne ich mal unberührte Natur. 

Die Reise war super organisiert und es war ein echter Gewinn dass Drachen und Gleitis gemeinsam geflogen sind.

Gemeinsame Flugreisen mit Drachen und Gleitschirmen - eine echte Bereicherung

Insgesamt waren wir in 3 Fluggebieten Juvashytta Nationalpark Juttenheimen, die höchste Erhebung Norwegens, Heidal und Vogo. Alle Fluggebiete waren super mit dem Auto erreichbar. Aufgrund der Besonderheiten von Wetter, Gelände und Startplätze sollte man am besten mit einer Organisierten Flugreisegruppe hinfahren. Ich kann Christian als Reiseleiter nur wärmstens empfehlen.

Norwegen ich komme wieder!

Reisebericht verfasst am
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2017